Der nahezu neun Meter hohe Ofenturm ist ein Aussichtsturm, ein Brennofen und ein Experiment.
Vom Aussichtsturm kann das ganze Zieglerareal überblickt werden: das Biotop, das zum Naturschutzgebiet erhoben wurde, der Wald, die Gewässer sowie die Wohn- und Produktionsgebäude. Die Herkunft der primären Rohstoffe – Lehm, Wasser und Holz – ist erkennbar. Und man kann den ganzen Ablauf der Ziegelherstellung nachvollziehen: Lehmabbau in der Lehmgrube (heute Biotop), Zwischenlager neben der Ziegelhütte, Streichen, Trocknen und Lagern, Brand im Ziegelbrennofen und die Anwendung im Sockel des Museumsbaus und auf allen Dächern.
Der Brennofen in der Ziegelhütte darf aus Brandschutzgründen nicht mehr betrieben werden. Umso bedeutungsvoller ist der Brennofen, der im Ofenturm realisiert werden konnte. Dieser oben offene Kammerofen mit zwei Schürlöchern auf der südlichen Aussenseite sowie einem Rost für das Brenngut wurde im Sommer 2022 in Betrieb genommen. In einem experimentellen Brand nach historischen Vorbildern werden dort Kalk, handgefertigte Hohlziegel sowie Backsteine gebrannt. Von der Wendeltreppe aus ist die Beschickungstür und das runde Kontrollfenster zugänglich. Die Holzabdeckung auf Höhe der Aussichtsplattform wird während des Brandes entfernt.
Das Experiment mit dem Stampflehm leistet einen Beitrag zur Entwicklung vom traditionellen Lehmbau zu einem nachhaltigen Wandel in der Bauindustrie. Lehm ist ein ökologisches und vor allem weitverbreitetes Baumaterial. Es fällt fast in jeder Baugrube an und wird für teures Geld meist in Kiesgruben deponiert. In den Gegenden um Lyon, Genf und Thurgau gehörte der Stampflehmbau zum historischen Baurepertoire, bis er vom Beton verdrängt wurde, zu dessen Erfindung er massgeblich beigetragen hatte. Im Hinblick auf nachhaltiges, ressourcenschonendes und CO2-armes Bauen wird der Stampflehm wiederentdeckt, wobei man seine Einsatzmöglichkeiten neu ausloten muss. Es ist keine Frage, dass er widerstandsfähig und belastbar ist. Auch die Fassaden sind erstaunlich witterungsresistent, wenn man gewisse Regeln beachtet (z.B. Wetterschenkel und Erosionsbremsen). Hingegen muss der Hochbau und die damit verbundene Wind- und Erdbebensicherheit erprobt und bewiesen werden. Dazu dienen beim Ofenturm die Vorspannungskabel, analog der eingemauerten Armierungseisen beim Beton. Das Setzungs- und Kriechverhalten des Stampflehms wird kontinuierlich gemessen, um daraus wiederum neue Forschungserkenntnisse gewinnen zu können.
Das natürliche Material soll nicht nur rezyklierbar, sondern auch weiterverwendbar sein. Dazu dient die Elementbauweise, die – inklusive Fundament – konsequent durchgeplant wurde. Der Turm lässt sich folglich anderswo erneut aufbauen.
Entscheidend für den Erfolg des Stampflehmbaus ist die Wirtschaftlichkeit in Bau und Betrieb. Schritte dazu sind die witterungsunabhängige Vorfabrikation, die Mechanisierung in der Herstellung, die Reduktion von Transportwegen, die fugenarme Verarbeitung sowie die Erprobung von idealen Materialkombinationen. Nicht zuletzt will der Stampflehmbau auch ästhetischen Ansprüchen genügen, so wie unser Ofenturm als Zuger Landmarke.
PDF mit Projektinformationen zum Ofenturm
Beteiligte
Bauherr: Verein Ofenturm Ziegelei-Museum Cham.
Treibende Kraft: Dipl. Architekt ETH Prof. des. Roger Boltshauser.
Engineering, Planungsbegleitung, Organisation und Bauführung: MSc. ETH-Bauing. Felix Hilgert und Lukas Baumann, Lehmag AG.
Vorentwürfe: Robert Gentner und Regina Pötzinger, Studierende der TU München.
Weiterentwicklung des Entwurfs: Studierende der ETH Zürich und Mitarbeiter von Boltshauser Architekten AG.
Mitwirkung beim Stampflehmbau: Studierende verschiedener Hochschulen.